Organisation und Personal
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„Distanzierte Nähe“: Die richtige Balance zwischen Kollegialität und Leadership

Was ist effektiver: Führung durch Nähe oder durch Distanz? Eines steht fest – je näher wir uns kommen, desto tiefer wird die Beziehung. Da uns als sozialen Wesen Verbundenheit sehr wichtig ist, scheint es zunächst logisch, auf Nähe zu setzen. Doch jeder mit Führungserfahrung weiß, dass dies in eine Sackgasse führen kann. Es kann dann vorkommen, dass diejenigen, denen die Führungskraft gegenüber nicht distanziert genug war, ihr die Gefolgschaft verweigern, wenn es zu unbequemen Veränderungen oder Spitzenleistungen eingefordert werden. Ist also Distanz die bessere Wahl? Auch dies kann problematisch werden, da Menschen unter zu wenig emotionaler Bindung leiden und sich abwenden.

Eine Reise der mentalen Transformation

Wer in eine Führungsrolle kommt, beginnt oft mit einem Führungsstil, der auf emotionaler Nähe basiert. Wenn beispielsweise ein fähiger Ingenieur zur Führungskraft seiner ehemaligen Kollegen wird, könnte er sagen: „Ich bin zwar jetzt euer Chef, aber unsere Beziehung bleibt unverändert.“ Das ist jedoch ein Trugschluss. Bisher war er für seine eigenen Ergebnisse verantwortlich, nun trägt er die Verantwortung für die des gesamten Teams. Eine klügere Ansage wäre deshalb: „Bis jetzt war ich nicht für die Teamergebnisse verantwortlich. Natürlich wird sich etwas ändern, und wir werden gemeinsam herausfinden, was und wie.“

Wenn Nähe in der Führung zur Sackgasse wird

Eine neue Führungskraft versucht anfangs oft, durch Sympathie und Nähe zu führen, um nicht den Eindruck zu erwecken, sie halte sich für etwas Besseres. Mit der Zeit wird diese emotionale Nähe jedoch zur Belastung. Instinktiv distanzieren sich die Teammitglieder bei unbequemen Entscheidungen, und die Führungskraft versucht, diese Distanz durch noch mehr Nähe zu überbrücken, was zu emotionaler Erschöpfung führt. Diese Müdigkeit zeigt sich in vielen Führungsetagen und ist ein Grund, warum immer mehr Menschen Führungsverantwortung scheuen – sie wollen die damit verbundene emotionale Belastung nicht in ihrem Leben haben.

Die Kehrtwende

Eine Führungskraft könnte sich aufgrund der oben beschrieben Erfahrungen denken: „Dann halte ich eben Distanz.“ Tatsächlich bemühen sich die Teammitglieder bei zunehmender Distanz von ihrer Seite um mehr Nähe und zeigen oft eine erhöhte Einsatzbereitschaft. Erfahrungsgemäß hält das jedoch nicht lange an. Aufgrund der fehlenden emotionalen Bindung empfinden sie die distanzierte Führungskraft als unnahbar oder arrogant und entziehen ihr die Gefolgschaft. Erneut könnte Frust und Unsicherheit entstehen: Wie soll ich mich nun verhalten? Was ist die Lösung?

„Distanzierte Nähe“ – was bedeutet das?

Es gibt einen mentalen Zustand, der beide Komponenten vereint: distanzierte Nähe. Das bedeutet, man ist den Menschen in seinem Umfeld gleichzeitig nah und distanziert. Die Logik mag einwenden: Das geht nicht – entweder man ist nah oder distanziert!

Dieses Konzept lässt sich mit dem „Stachelschwein-Prinzip“ vergleichen: Wir kommen uns so nahe, dass wir uns gegenseitig wärmen, aber nie so nahe, dass wir uns verletzen. Wer einmal die distanzierte Nähe im Umgang mit anderen Menschen gefunden hat, möchte darauf nicht mehr verzichten – selbst in intimeren Beziehungen am Arbeitsplatz. Denn oft ist zu beobachten, dass zu viel Nähe unbewusste Verletzungen verursacht, die zu großer Distanz bis hin zu Feindseligkeit führen können. Es kommt daher auf die richtige innere Balance an.