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EuGH: Hin- und Rückfahrten zum Einsatzort sind Arbeitszeit

Fahrzeiten, die Beschäftigte von einem festgelegten Treffpunkt zu ihrem Einsatzort und zurück aufwenden, sind als Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie zu werden. So entschied es der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Fall spanischer Beschäftigter (Urteil vom 09. Oktober 2025, C-110/24).

Was ist „Arbeitszeit“?

Nach der europäischen Arbeitszeitrichtlinie ist Arbeitszeit „jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht oder Aufgaben wahrnimmt“. Ruhezeitist dagegen jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit.

Der Fall: Unternehmen wertet nur Hinfahrten als Arbeitszeit

Im vorliegenden Fall ging es um ein spanisches Unternehmen, dessen Arbeitnehmer keinen festen Arbeitsort haben. Sie arbeiten in Naturräumen und Mikronaturschutzgebieten. Statt direkt von ihrem Wohnsitz zur Arbeitsstelle zu fahren, müssen sie sich zu einer festgelegten Uhrzeit an einem Abfahrtsort („Stützpunkt“) einfinden. Sie fahren von dort gemeinsam in einem Fahrzeug des Arbeitgebers, das von einem Mitarbeiter gesteuert wird und das nötige Material transportiert. Nach der Arbeit werden sie zurück zum Stützpunkt gebracht und fahren anschließend eigenständig nach Hause.

Während dieser Fahrten können die Beschäftigten keine Aufgaben erledigen, haben aber naturgemäß auch keine freie Verfügung über ihre Zeit, da der Arbeitgeber Transportmittel, Zeit und Ablauf vorgibt. Im Arbeitsvertrag ist geregelt, dass die Fahrzeit zwischen Treffpunkt und Arbeitsstelle nicht als Arbeitszeit zählt; in der Praxis wurde diese jedoch durch den Arbeitgeber für die Hin-, allerdings nicht für die Rückfahrt erfasst. Das spanische Arbeitsgericht legte den Fall nun dem EuGH vor.

EuGH: Fahrten sind als Arbeitszeit einzustufen

 Die höchste europäische gerichtliche Instanz hat entschieden, dass die Fahrten von Arbeitnehmern von einem vom Arbeitgeber festgelegten Treffpunkt zu einem Arbeitsort als Arbeitszeit gelten. Dies gelte insbesondere, wenn die Fahrten zu festgelegten Zeiten und in einem Fahrzeug des Arbeitgebers erfolgten.

In diesem Zusammenhang hat der EuGH alle drei wesentlichen Merkmale des Begriffs „Arbeitszeit“. Das Ergebnis: Alle Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt.

Der Gerichtshof stellte in seiner Begründung fest, dass die Modalitäten der Hin- und Rückfahrt der betroffenen Arbeitnehmer im Bereich Biodiversität von ihrem Arbeitgeber vorgegeben würden, der u. a. das für diese Fahrten verwendete Transportmittel, den Abfahrts- bzw. Ankunftsort, die Abfahrtszeit und das Ziel, nämlich eine Arbeitsstelle bestimme. Einen „gewöhnlichen Arbeitsort“ gebe es demnach nicht.

Insofern sei die Situation vergleichbar mit der von Beschäftigten, die Fahrten zwischen ihrem Wohnsitz und den Standorten ihrer Kunden unternehmen, um dort technische Leistungen zu erbringen. Der EuGH verwies auf frühere Entscheidungen, wonach solche Fahrten ein notwendiges Mittel seien und Arbeitnehmer währenddessen ihre Tätigkeit ausüben und Aufgaben wahrnehmen. Demnach sei davon auszugehen, dass die betroffenen Mitarbeiter während ihrer Fahrten zum Stützpunkt zur betreffenden Arbeitsstelle und zurück keinen festen Arbeitsort haben und ihre Tätigkeit ausüben oder ihre Aufgaben wahrnehmen.

Fahrten gehören zur Arbeit von Beschäftigten ohne festen Arbeitsort

Auch die Verfügbarkeit für den Arbeitgeber war aufgrund der Umstände nach Auffassung des EuGH gegeben: Die betroffenen Arbeitnehmer hätten während der erforderlichen Fahrzeiten in die Naturschutzgebiete und zurück nicht die Möglichkeit, frei über ihre Zeit zu verfügen, geschweige denn ihren eigenen Interessen nachzugehen.

Schon in früheren Urteilen hatte der EuGH darauf abgestellt, dass bei Beschäftigten, die keinen festen Arbeitsort haben und für deren Arbeit ständig Fahrten anfallen, davon auszugehen sei, dass sie während dieser Zeit arbeiten. Denn die Fahrten gehörten untrennbar zum Wesen eines Arbeitnehmers, der keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort hat, sodass der Arbeitsort solcher Beschäftigten nicht auf die Orte beschränkt werden könne, an denen sie physisch tätig werden.

Auch dieser Punkt traf im vorliegenden Fall zu. Mithin waren alle wesentlichen Merkmale des Begriffs „Arbeitszeit“ im Sinne der europäischen Arbeitszeitrichtlinie erfüllt.