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Wenn die Kommune haftbar wird – Das wegkippende Gullydeckel-Urteil des OLG Celle

Ein tragischer Spaziergang – und ein wegkippender Gullydeckel

Ein 27-jähriger Spaziergänger aus Lindwedel erlitt im September 2020 eine schwere Verletzung der Kniescheibe, als ein Gullydeckel unter ihm kippte und sein Bein in den darunterliegenden Sickerschacht gleitete.

Gemeinde haftet – aber nur auf Bewährungsprobe

Das Landgericht Verden hatte die Gemeinde zunächst entlastet – sie habe den Deckel regelmäßig kontrolliert. Doch in der Berufung vor dem OLG Celle erhielt der Kläger recht: Der Sickerschacht zählt als „gefährliche Anlage“ gemäß § 2 Abs. 1 Haftpflichtgesetz – und die Gemeinde hätte beweisen müssen, dass höhere Gewalt der Auslöser war. Dies konnte sie nicht, insbesondere weil der beschädigte Deckel bereits entsorgt war.

Finanzielle Folgen – Schmerz, Verdienstausfall und darüber hinaus

Das OLG entschied:

  • Schmerzensgeld: 12.500 € – anhand anerkannter Schmerzensgeldtabellen, jedoch unter Berücksichtigung der individuellen Verletzungsfolgen.
  • Zusätzliche Kosten: Rund 4.400 € für Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden und Anwaltskosten.
  • Künftige Schäden: Diese müssen ebenfalls übernommen werden – eine weitreichende Entscheidung, die viele Kommunen beunruhigt.

Hintergrund: Warum ist der Sickerschacht eine gefährliche Anlage?

Nach § 2 Abs. 1 Haftpflichtgesetz gelten Rohrleitungsanlagen als gefährlich – darunter fällt auch die Kanalisation mit ihren Schächten und Deckeln. Entsteht ein Schaden durch eine fehlerhafte Anlage, haftet der Betreiber – es sei denn, er kann nachweisen, dass alles ordnungsgemäß war oder der Schaden durch höhere Gewalt verursacht wurde.

Lehren für Kommunen

  1. Regelmäßige Kontrolle reicht nicht: Besonders bei bekannten Risiken – etwa früheren Vorfällen – müssen Gullydeckel zusätzlich gesichert sein.
  2. Gefährliche Anlagen ernst nehmen: Schächte gehören in die Risikobewertung – unscheinbar, aber rechtlich relevant.
  3. Folgeschäden einrechnen: Haftung endet nicht mit dem ersten Schaden – es können zusätzlich langfristige Kosten entstehen.

Fazit

Der Fall OLG Celle, Az. 14 U 138/23, ist ein Weckruf: Kommunen müssen ihre Verkehrssicherungspflicht proaktiv, umfänglich und vorausschauend umsetzen. Dass der Gullydeckel regelmäßig kontrolliert wurde, schützte die Kommune nicht – entscheidend war, dass eine konkrete Gefährdung entstand und nicht ausgeschlossen werden konnte.

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