In Vergabeverfahren geht es um Wettbewerb unter geregelten Bedingungen. Das funktioniert aber nur, wenn alle Beteiligten „sauber spielen“. Sobald ein Unternehmen versucht, sich über vertrauliche Informationen einen Vorteil zu verschaffen, kann es ausgeschlossen werden. Dass diese Regeln nicht nur Theorie sind, zeigt ein Beschluss der Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 25.06.2025, Az.: 3194.Z3-3_01-25-23).
Was passiert ist
Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb einen Bauauftrag EU-weit aus. An der Vorbereitung des Verfahrens – vor allem an der Erstellung des Leistungsverzeichnisses – war ein Planungsbüro beteiligt. Dieses Planungsbüro gehört zu einer GmbH, deren Geschäftsführer gleichzeitig die Geschäftsführer eines der späteren Bieter sind.
Eine Konkurrentin vermutete deshalb eine vergaberechtswidrige Vorbefassung und verlangte, dass die Beigeladene ausgeschlossen wird. Der Auftraggeber sah das anders und wies die Rüge ab. Die Antragstellerin rief daraufhin die Vergabekammer an.
Parallel lief noch ein zweites, ganz ähnliches Vergabeverfahren – diesmal betreut von einer Mitarbeiterin genau jenes Planungsbüros. In diesem parallelen Verfahren hatte die Antragstellerin das günstigste Angebot abgegeben. Die Parallele ist entscheidend, weil hier sensible Kalkulationsdaten offenlagen.
Die Entscheidung der Vergabekammer
Die Vergabekammer gab der Antragstellerin zwar Recht, allerdings aus anderen Gründen als dem ursprünglich gerügten.
Keine unzulässige Vorbefassung
Zunächst prüfte die Kammer, ob die Beigeladene allein wegen der Verbindung zum Planungsbüro ausgeschlossen werden musste. Grundsätzlich darf ein Unternehmen ausgeschlossen werden, wenn es durch Vorarbeiten einen unfairen Vorsprung erhält. Das ist aber nur zulässig, wenn dieser Vorsprung nicht anders ausgeglichen werden kann.
Im vorliegenden Fall hat der Auftraggeber jedoch umfangreiche Unterlagen an sämtliche Bieter verteilt: Fotos, Pläne, Bauteilkataloge und sogar die Ergebnisse einer detaillierten Bestandserfassung. Dazu kam eine verlängerte Angebotsfrist. Aus Sicht der Kammer reichte das aus, um einen möglichen Informationsvorsprung auszugleichen. Dass beide Unternehmen preislich nahe beieinander lagen, stützte diese Einschätzung.
Aber: Möglicher Zugriff auf vertrauliche Informationen
Entscheidend war schließlich etwas anderes: Der mögliche Zugriff auf vertrauliche Daten aus einem parallelen Verfahren.
Vergaberechtlich ist klar geregelt, was vertraulich ist: Inhalte anderer Angebote, interne Kommunikation, Kalkulationen und alle Verfahrensinformationen, die nicht öffentlich gemacht werden sollen. Schon der Versuch, an solche Informationen zu gelangen, kann zum Ausschluss führen. Es reicht, dass dadurch ein Vorteil hätte entstehen können. Ein Nachweis, dass der Vorteil tatsächlich genutzt wurde, ist nicht zwingend erforderlich.
Genau hier sah die Kammer offene Fragen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Mitarbeiterin des Planungsbüros vor Angebotsabgabe Zugriff auf die Preisaufgliederung der Antragstellerin im parallelen Verfahren hatte. Weil die Leistungsverzeichnisse beider Verfahren weitgehend übereinstimmten, könnte dieses Wissen ein relevanter Vorteil gewesen sein.
Ob die Beigeladene dieses Wissen genutzt hat, ist ungeklärt. Das Unternehmen gibt an, keine organisatorischen Maßnahmen zu haben, die einen Informationsfluss verhindern würden. Für die Kammer reicht das, um eine erneute Prüfung der Ausschlussgründe anzuordnen.
Bedeutung für die Praxis
Der Fall zeigt, dass „vertrauliche Informationen“ im Vergaberecht viel mehr umfassen als nur die Angebote anderer Bieter. Dazu gehören auch Informationen des Auftraggebers wie Bewertungsmatrizen, Verhandlungsunterlagen oder interne Abläufe. Ebenso fallen Informationen Dritter darunter, etwa Ergebnisse von Teststellungen oder Berichten externer Prüfer.
Kurz gesagt: Alles, was nur bestimmten Personen im Verfahren vorbehalten ist, darf nicht über Umwege in die Hände eines Bieters gelangen.
Für die Praxis heißt das:
- Unternehmen brauchen klare interne Abschottungsmaßnahmen, besonders wenn verbundene Firmen sowohl Planungs- als auch Bieterrollen innehaben.
- Auftraggeber müssen frühzeitig prüfen, ob Beteiligte in vorbereitende Schritte eingebunden waren und ob ein Informationsvorteil ausgeglichen wurde.
- Parallel laufende Verfahren mit gleichen oder ähnlichen Leistungsverzeichnissen sind besonders sensibel.
- Das Ausspähen oder „informelle Nachfragen“ bei Auftraggebern oder deren Dienstleistern ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Ausschlussrisiko.
Warum das relevant ist
Die Entscheidung macht deutlich, wie schnell man im Vergaberecht in den Bereich unzulässiger Vorteilserlangung geraten kann – oft ohne böse Absicht. Schon die Möglichkeit, dass vertrauliche Informationen geflossen sein könnten, kann das gesamte Verfahren kippen.
Für Unternehmen ist das ein praktischer Hinweis, Compliance und interne Struktur wirklich ernst zu nehmen. Für Auftraggeber zeigt der Beschluss, dass Transparenz und sorgfältige Dokumentation entscheidend sind.
Am Ende dient all das einem Zweck: fairer Wettbewerb. Nur wenn alle Beteiligten den gleichen Informationsstand haben, bleibt ein Vergabeverfahren glaubwürdig – und spart allen Beteiligten viel Ärger.





