Organisation und Personal
Voraussichtliche Lesezeit: 3 Minuten

Führt mehr Fachkompetenz zu mehr Führungswirksamkeit?

Fachkompetenz und Führung

Die Frage, wie viel eine Führungskraft über die Fachaufgaben wissen muss und ob sie die bessere Sachbearbeitung sein muss, ist von andauernder AKtualität. Es gibt im wesentlichen zwei Lager (stark vereinfacht):

A) Das Fachlager: Die Führungskraft muss tief im Thema sein, um gut führen zu können.

B) Das Meta-Lager: Die Führungskraft braucht eine Meta-Kompetenz in Sachen Führung. Fachlichkeit ist im Zweifel sogar hinderlich.

Wir sind der Sache auf den Grund gegangen, weil uns diese Diskussion in unseren Projekten in öffentlichen Verwaltungen auch immer wieder begegnet.

Aus empirischen Studien ergibt sich dazu eine allgemeine These als Beantwortung der Frage: Je technischer und spezialisierter eine Führungsrolle, desto höher der Anteil der Fachkompetenz an der Führungswirksamkeit.

These: Je technischer und spezialisierter eine Führungsrolle, desto höher der Anteil der Fachkompetenz an der Führungswirksamkeit.

Begründung und Studienlage:

1. Kontextualisierte Führung (Contextual Leadership)

Forschung zur kontextualisierten Führung zeigt, dass der relative Beitrag einzelner Kompetenzbereiche vom Führungskontext abhängt.

  • In technischen, ingenieurwissenschaftlichen oder IT-nahen Bereichen wird Führung durch fachliche Expertise besonders legitimiert.
  • Fachkompetenz dient hier nicht nur der Problemlösung, sondern auch der Akzeptanz und Glaubwürdigkeit („expert power“ nach French & Raven, 1959).

📚 Quelle:

Yukl, G. (2013). Leadership in Organizations (8th ed.). Pearson.
French, J. R. P., & Raven, B. (1959). The bases of social power. In: Cartwright, D. (Ed.), Studies in Social Power, pp. 150–167. Ann Arbor: University of Michigan Press.


2. Kaiser, Hogan & Craig (2008): Technical vs. Strategic Roles

In ihrer Studie differenzieren sie zwischen Rollen mit hohem technischen Fokus (z. B. F&E, IT, Ingenieurwesen) und solchen mit generalistischer Führungsverantwortung.

  • In technischen Rollen stieg der Anteil der Fachkompetenz auf über 40 % der wahrgenommenen Wirksamkeit.
  • Bei strategischen Rollen (z. B. Geschäftsführung, Politik) lag er teils unter 20 %.

📚 Quelle:
Kaiser, R. B., Hogan, R., & Craig, S. B. (2008). Leadership and the fate of organizations. American Psychologist, 63(2), 96–110. https://doi.org/10.1037/0003-066X.63.2.96


3. Berufspraktische Beobachtungen und Führung in Expertenorganisationen

In Studien zur Führung in Expertenorganisationen (z. B. Forschungseinrichtungen, Verwaltungen mit hohem juristisch-technischem Anteil) zeigt sich:

  • Fachkompetenz ist oft Voraussetzung, um überhaupt als „Führungskraft“ akzeptiert zu werden.
  • Das Phänomen der „Primus inter Pares“-Führung ist hier stark – ohne fachliche Anerkennung kaum Führungswirkung.

📚 Quelle:

Wilkesmann, U. (2016). Führung von Experten: Steuerung, Kontrolle und Motivation in Expertenorganisationen. Springer VS.

👉 Für zahlreiche öffentliche Verwaltungen, Tech-Unternehmen & wissenschaftliche Einrichtungen bedeutet das: Leadership Development braucht fachliche Tiefenverankerung – nicht nur Soft Skills.

Achtung / Einnschränkung:

Für den klassichen Diplom-Verwaltungswirt und die Verwaltungsstudiengänge der allgemeinen, nicht technischen Verwaltung gilt dies nicht im selben Maße, da die Studiengänge generalisierend aufgebaut sind und Fachkompetenzen allgemein vermittelt. Dies überträgt sich dann auch auf die Anforderungen an Führungskräfte.