Gelten beamtenrechtliche Regelungen zum Urlaubsverfall auch für die Tarifbeschäftigten des Landes Niedersachsen? Entscheidend ist nicht etwa eine entsprechende Verwaltungsvorschrift oder ein Erlass, sondern vielmehr deren wirksame vertragliche Umsetzung durch den öffentlichen Arbeitgeber.
Der Hintergrund des Falles
Der Kläger ist bei der Beklagten als Forstwirt beschäftigt. Er hatte Anfang 2022 noch einen Resturlaubsanspruch von zehn Tagen tariflichen Mehrurlaubs gemäß § 26 TV-L-Forst, der wörtlich mit § 26 TV-L übereinstimmt. Nach einem Arbeitsunfall im Mai 2022 war er bis Ende November desselben Jahres arbeitsunfähig und konnte seinen Urlaub deswegen nicht antreten. Die Beklagte wies den Kläger im Laufe des Jahres 2022 darauf hin, dass der Resturlaub aus dem Vorjahr spätestens bis zum 30. September genommen werden müsse, da er sonst verfalle.
Verfall des tariflichen Urlaubs
Die Tarifvertragsparteien können Urlaubsansprüche, die über den Mindestjahresurlaub von vier Wochen hinausgehen, frei regeln. Im TV-L und TV-L ist festgelegt, dass der Resturlaub spätestens bis zum 31. März des Folgejahres angetreten werden muss (§ 26 Abs. 2a TV-L/TV-L Forst). Kann der Urlaub aufgrund von Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen bzw. dienstlichen nicht bis zu diesem Datum genommen werden, verlängert sich die Frist für den Antritt des Erholungsurlaubs auf den 31. Mai des Folgejahres.
Verlängerung tariflicher Verfallsfristen nach beamtenrechtlichen Vorschriften
Mit einem Schreiben aus dem Jahr 2001 wandte sich das Niedersächsische Finanzministerium an „alle Personalstellen des Landes“ und stellte klar, dass bei Tarifbeschäftigten der Resturlaub in vergleichbarer Weise wie bei Beamten übertragen werden kann. Nach den für Beamte geltenden Vorschriften verfällt der Resturlaub erst dann, wenn er nicht innerhalb der ersten neun Monate des folgenden Urlaubsjahres genommen wird (§ 8 Niedersächsische Erholungsurlaubsverordnung).
Aus diesem Grund vertrat die Beklagte die Auffassung, der tarifliche Mehrurlaub des Klägers sei mit Ablauf des 30.09.2022 erloschen.
Wirkung von Verwaltungsvorschriften
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte klar, dass das Schreiben des Finanzministeriums nicht automatisch für das Arbeitsverhältnis der Parteien gilt. Verwaltungsvorschriften, Erlasse oder Verfügungen sind grundsätzlich nur intern in der Verwaltung wirksam. Damit die beamtenrechtlichen Vorschriften zum Urlaubsverfall auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind, hätte die Beklagte die Regelung aus dem Schreiben des Niedersächsischen Finanzministeriums ausdrücklich übernehmen müssen – etwa durch eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf § 8 NEUrlVO, eine entsprechende Gesamtzusage oder durch die Einführung einer betrieblichen Übung.
Falls die beamtenrechtlichen Vorgaben zum Urlaubsverfall tatsächlich auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar wären, hätte das Landesarbeitsgericht zu prüfen, ob und in welchem Umfang die tariflichen Vorschriften zum Urlaubsverfall geändert wurden und ob der streitige Urlaub dadurch verfallen ist (BAG, Urteil vom 28.01.2025, 9 AZR 66/24, vorgehend: LAG Niedersachsen, Urteil vom 07.02.2024, 8 Sa 568/23).