Digitalisierung Vergabe
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Welche Bedeutung hat das Formblatt 213 bei der E-Vergabe?

Ein unerfreulicher Fall, der in einem Vergabeverfahren bei der formalen Prüfung der eingegangenen Angebote mitunter auftritt: Der Bieter hat das Formblatt 213 („Angebotsschreiben“) nicht ausgefüllt bzw. unterschrieben. Darf dieses Dokument nachgefordert werden (§ 56 Abs. 2 VgV; § 41 Abs. 2 UVgO; § 16a Abs. 1 VOB/A) oder ist dann das Angebot des Bieters vom weiteren Verfahren auszuschließen? Mit dieser Frage hat sich auch die Vergabekammer (VK) Sachsen auseinandergesetzt (Beschluss v. 13.03.2023, 1/SVK/034-22).

Der Sachverhalt

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall schrieb ein öffentlicher Auftraggeber europaweit Bauleistungen aus, wobei die Angebotsabgabe elektronisch in Textform erfolgen sollte.

Der Bieter, ein Malermeister, beteiligte sich an dem Vergabeverfahren mit einem Angebot, welches er elektronisch über die vorgegebene Vergabeplattform einreichte. Jedoch hat er es versäumt, die dritte Seite des Formblatts 213 („Angebotsschreiben“) einzuscannen und über die Vergabeplattform hochzuladen. Zudem hatte der Bieter auf der ersten Seite des Formblatts in dem Adressfeld „Name und Anschrift des Bieters“ keine Eintragung vorgenommen. In der Konsequenz wurde das Angebot vom Auftraggeber wegen eines vermeintlichen Formverstoßes ausgeschlossen.

Daraufhin rügte der Bieter den Ausschluss seines Angebotes mit dem Hinweis, dass das Fehlen der dritten Seite des Formblatts für die wirksame Angebotsabgabe unerheblich sei, da diese aufgrund der rein elektronischen Vergabe nicht beschriftet oder ausgefüllt werden müsse. Nach Ansicht des Bieters sei die Identität überdies hinreichend erkennbar gewesen, da auf der ersten Seite des Formblatts von ihm angegeben gewesen sei, wo sich sein Unternehmen befände. Zudem habe er seine E-Mail-Adresse seine Umsatzsteueridentifikationsnummer sowie die Präqualifikationsnummer eingetragen.

Nachdem der Auftraggeber der Rüge nicht abgeholfen hatte, leitete der Bieter ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer ein.

Die Entscheidung

Die VK Sachsen entschied zugunsten des Bieters: Der Ausschluss des Angebotes könne nicht auf die fehlende Eintragung in das Textfeld „Name und Anschrift des Bieters“ auf der ersten Seite des Angebotsschreibens (Formblatt 213) gestützt werden. Die VK gestand insofern zwar zu, dass die Erkennbarkeit der Identität des Vertragspartners für den Rechtsverkehr und somit auch in Vergabeverfahren entscheidend sei, was je nach Einzelfall im Gesamtkontext beurteilt werden müsse. Da jedoch der Bieter vorliegend an einzelnen Stellen des Angebotsschreibens Eintragungen vorgenommen hatte, sei die Identität des Bieters hinreichend erkennbar gewesen.

Weiterhin stellte die VK Sachsen fest, dass das Fehlen der Namensunterschrift und der dritten Seite des Formblatts 213 nicht (zwingend) dazu führe, dass vorliegend kein rechtsverbindliches Angebot eingereicht worden sei. Bei der Angebotsabgabe in Textform gemäß § 126b BGB sei es für die „Nennung der Person des Erklärenden“ unerheblich, an welcher Stelle des Angebots der Name des Bieters genannt werde. Entscheidend sei lediglich, dass der Auftraggeber, was hier aufgrund der Eintragungen auf den ersten beiden Seiten des Formblatts der Fall gewesen sei, zweifelsfrei zuordnen könne, von wem er das Angebot erhalten habe.

Abschließend hat die VK Sachsen zwei Punkte hervorgehoben, die für die E-Vergabe besonders wichtig sind:

  1. Die Rechtsverbindlichkeit des Angebotes wird bei der elektronischen Angebotsabgabe bereits durch das Hochladen auf der Vergabeplattform hinreichend zum Ausdruck gebracht.
  2. Die dritte Seite des Formblatts 213 enthält keine elementaren Kernbestandteile des Angebots und kann vom Auftraggeber nachgefordert werden.

In Zeiten der E-Vergabe nimmt mithin die Bedeutung des Formblatts 213 immer weiter ab.

Was ist mit Textform gemeint? Abgrenzung vom Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe

In der seit 2014 geltenden Fassung des § 126b BGB heißt es:

„Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden.“

Das OLG Karlsruhe hatte in seinem Beschluss vom 19.02.2020 (15 Verg 1/20) auf die zuvor geltende Fassung des § 126b BGB abgestellt. Diese lautete:

„Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden.“

Infolgedessen erachtete das OLG Karlsruhe die Nachbildung der Namensunterschrift weiterhin für erforderlich. Doch dass diese Ansicht weder zeitgemäß noch rechtmäßig ist, hat auch das Bundesministerium für Bau und Heimat mit Schreiben vom 23.09.2019 unter Bezugnahme auf den Erlass B I 7 81064.02/01 vom 08.12.2017 bestätigt. Dort heißt es auf den Seiten 5 und 6 wie folgt:

„Es wird für elektronisch übermittelte Angebote in Textform daher künftig ausreichen, dass zu erkennen ist, welcher Bieter es eingereicht hat. Das Unterschriftsfeld im Angebotsschreiben muss künftig nur bei schriftlichen Angeboten ausgefüllt sein. Bei (allen) elektronisch übermittelten Angeboten kann es unausgefüllt sein, solange sich aus dem Angebot ergibt, wer es eingereicht hat und solange es die ggf. geforderte Signatur/Siegel enthält.“

Bei der E-Vergabe bedarf es folglich keiner Unterschrift durch den Bieter und auch eine fortgeschrittene elektronische Signatur kann nur unter den engen Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 VgV, § 11 Abs. 5 VOB/A-EU verlangt werden, wenn ausnahmsweise erhöhte Anforderungen an die Sicherheit zu stellen sind.

In der Praxis zeigt sich ferner, dass die Rechtsverbindlichkeit der eingegangenen Angebote bereits dadurch gegeben ist, dass beim Hochladen der Dateien sichtbar ist, welcher Bieter ein Angebot eingereicht hat.

Wie stellt sich die Lage bei einer GmbH, KG oder GbR dar?

Die Erkennbarkeit eines Bieters ist bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), einer Kommanditgesellschaft (KG) oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) anders zu beurteilen. Bei derartigen Gesellschaftsformen muss der Firmenzusatz aus Gründen der Rechtssicherheit aus den Angebotsunterlagen klar erkennbar sein. Ohne Angabe des Firmenzusatzes bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der handelnden Rechtsperson, die zu einem Ausschluss des Angebotes führen können.

Die Angabe des handelnden Mitarbeiters oder des rechtsgeschäftlichen Vertreters ist im Angebot hingegen nicht erforderlich. Es genügt bei der E-Vergabe, wenn der vollständige Name der juristischen Person angegeben wird (BGH, Beschluss vom 01.07.2014, VIII ZR 72/14).

Tipps für die Praxis

Die E-Vergabe sollte die Angebotsabgabe vereinfachen – nicht verkomplizieren. Ein Angebot ist daher grundsätzlich formgerecht und wirksam, wenn es elektronisch in Textform übermittelt und über die Vergabeplattform hochgeladen wird. Es ist daher ausreichend, wenn sich aus den Angebotsunterlagen insgesamt ergibt, von wem das Angebot abgegeben wird. Hierfür bedarf es keiner Unterschrift unter dem Formblatt 213, wie aus dem Wortlaut des § 126b BGB und dem Sinn und Zweck der E-Vergabe folgt.  Erhöhte Anforderungen an die Angebotsabgabe sind nur in Ausnahmefällen möglich, wenn dies aufgrund erhöhter Anforderungen an die Sicherheit geboten erscheint (§ 53 Abs. 3 VgV, § 11 Abs. 5 VOB/A-EU).

Auftraggebern, die ein erhebliches Interesse an der Abgabe von wirtschaftlichen Angeboten haben dürften, ist daher zu empfehlen, die Angebotsabgabe nicht durch vermeintlich berechtigte Formvorgaben künstlich zu verkomplizieren. Für einen Angebotsausschluss fehlt es bei fehlenden Angaben im Zusammenhang mit dem Formblatt 213 regelmäßig an einer Rechtsgrundlage, weshalb ein solcher von Auftraggebern stets sehr kritisch hinterfragt werden sollte. Fehlt die dritte Seite des Formblatts 213, ist diese vom Auftraggeber nachzufordern.

Lässt sich bei einer GmbH, KG oder GbR anhand des gesamten Angebotes tatsächlich nicht zweifelsfrei erkennen, wer der Bieter sein soll, kann ein Ausschluss des Angebots im Einzelfall gerechtfertigt sein. Bieter sollten daher dringend darauf achten, den vollständigen Namen mit Firmenzusatz in dem Angebot eindeutig anzugeben.

Wir unterstützen Sie gerne

Die Frage, ob ein elektronisch eingereichtes Angebot bei Nichteinreichung des Formblatts 213 auszuschließen ist, bildet dabei nicht den einzigen vergaberechtlichen Fallstrick. Insbesondere viele kleinere Kommunen tun sich bei der Durchführung von Vergabeverfahren, weil ihnen die personelle Kapazität fehlt, um das notwendige Fachwissen in dieser speziellen Dissziplin abbilden zu können.

Wenn Sie daher Unterstützung bei der Abwicklung ihrer Ausschreibungen benötigen, freuen wir uns sehr über Ihre Nachricht an vergabestelle@optiso-conuilt.de oder ihren Anruf (0176 45921673).