Ein Schriftsatz an ein Gericht wird grundsätzlich auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 46 c Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) eingereicht, wenn feststeht, dass die Übermittlung durch einen zugangsberechtigten Beschäftigten des Postfachinhabers erfolgt ist. So urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschluss v. 24.10.2024, 2 ABR 38/23).
Übermittlung des Antrags an das Gericht über elektronisches Behördenpostfach
Folgender Fall lag dem Beschluss des BAG zugrunde:
Die Arbeitgeberin, eine GmbH, die Gebäudemanagement-Dienstleistungen erbringt, begehrte die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beschäftigten, hilfsweise deren Ausschluss aus dem Betriebsrat. Alleingesellschafterin ist ein Universitätsklinikum, eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit gem. § 31 a Abs. 2 Hochschulgesetz NRW.
Hintergrund war, dass die Arbeitgeberin der Beschäftigten vorwarf, eine falsche uneidliche Aussage zu ihren – sprich: der Arbeitgeberin – Lasten getätigt zu haben. Sie beantragte mit einem am 1. Dezember 2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Die Antragsschrift wurde vom Universitätsklinikum über dessen besonderes elektronisches Behördenpostfach (beBPo) versandt. Eine qualifizierte elektronische Signatur wurde nicht verwendet. Die Antragsschrift ist auf dem Geschäftspapier der Arbeitgeberin gefertigt und weist als Verfasserin „H – Rechtsanwältin“ aus. Diese hat den Schriftsatz – wiederum mit dem Zusatz „Rechtsanwältin“ – auch maschinenschriftlich unterzeichnet. Die Unterzeichnerin ist eine Beschäftigte in der Stabsstelle Arbeitsrecht des Klinikums und nebenher als Rechtsanwältin – nicht Syndikusrechtsanwältin – zugelassen. In der linken oberen Ecke über dem Anschriftfeld heißt es „Universitätsklinikum M“ und darunter „Per beBPo“.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge jedoch abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Beschwerde der Arbeitgeberin zurück. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgte die Arbeitgeberin ihre Anträge weiter.
BAG: Verfahren wurde wirksam eingeleitet
Das BAG widersprach nun der Auffassung des Arbeitsgerichts und des LAG: Die Arbeitgeberin habe das Verfahren am 1. Dezember 2022 – und damit fristgerecht – wirksam beim Arbeitsgericht eingeleitet.
Elektronische Übermittlung mit qualifizierter elektronischer Signatur ist zulässig
Das Verfahren nach § 103 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wird gemäß § 81 Abs. 1 ArbGG durch einen schriftlichen Antrag der Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht eingeleitet, wenn er nicht bei der Geschäftsstelle mündlich zu Protokoll gebracht werden soll. Die Antragsschrift ist von der sie verantwortenden Person eigenhändig zu unterschreiben (§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i. V. m. §§ 495, 253 Abs. 4, §§ 129, 130 Nr. 6 Zivilproessordnung (ZPO)); die Übermittlung durch ein Telefax ist zulässig.
Nach § 46 c Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 253 Abs. 4 ZPO kann die Antragsschrift auch als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Dazu muss dieses mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Der Übermittlungsweg zwischen einem Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (beBPo) und der elektronischen Poststelle des Gerichts erfüllt diese Anforderungen, so das BAG.
Unterzeichnende Person muss nicht selbst Inhaber des elektronischen Postfachs sein
Im vorliegenden Fall war die unterzeichnende Rechtsanwältin aufgrund der von der Arbeitgeberin erteilten, beim Arbeitsgericht hinterlegten (Außen-)Vollmacht ermächtigt, die Arbeitgeberin dort in allen Rechtsstreitigkeiten zu vertreten. Dies umfasste auch die Einleitung und erstinstanzliche Durchführung eines Beschlussverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG.
Die Person, die den Schriftsatz verantwortet, muss nicht selbst Inhaber des beBPo sein. Ein solches kann nur für Behörden sowie juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Postfachinhaber eröffnet werden. Es handelt sich dabei um einen sog. nicht-personengebunden sicheren Übermittlungsweg. Der Postfachinhaber bestimmt die Personen, die Zugang zum beBPo erhalten sollen, und stellt ihnen das Zertifikat und das Zertifikatspasswort zur Verfügung.
Er muss dokumentieren, wer zugangsberechtigt ist und stellt sicher, dass der Zugang zu seinem beBPo nur den von ihm bestimmten Zugangsberechtigten möglich ist. Durch diese Regelungen ist sowohl die Verantwortlichkeit der Behörde oder juristischen Person des öffentlichen Rechts im Außenverhältnis als auch die Zuordnung zu einer im Innenverhältnis legitimierten Person gewährleistet.
LAG muss den Sachverhalt neu prüfen
Das BAG konnte allerdings nicht selbst entscheiden, ob die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beschäftigten nach § 103 Abs. 2 BetrVG zu ersetzen ist.
Die vorsätzliche Falschaussage eines Betriebsratsmitglieds in einem den eigenen Arbeitgeber betreffenden Beschlussverfahren stellt allerdings eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine außerordentliche Kündigung des Betriebsratsmitglieds rechtfertigen kann. Den Sachverhalt muss das LAG jedoch neu prüfen.