Organisation und Personal
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Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern zum Thema Leitungstätigkeiten

Am 21.06.2022 entschied das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Az.: 2 Sa 73/21): Wenn der Leiter einer Organisationseinheit selbst Aufgaben wahrnimmt, die innerhalb des von ihm betreuten Bereichs anfallen, gehören diese Tatsachen als Zusammenhangstätigkeiten zu seiner Leitungstätigkeit.

Worum ging es konkret?

Eine 41-jährige Sachgebietsleiterin klagte über ihre Eingruppierung in die EG 10 TvöD-VKA und machte geltend, dass sie seit dem 08.04.2013 Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 3 TVöD habe.

Zur Begründung führte die Klägerin an, dass die Voraussetzungen der Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 TVöD ab dem 08.04.2013 erfüllt seien. Die von ihr zu dieser Zeit ausgeübten Tätigkeiten erforderten gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen. Sie hätten sich durch besondere Verantwortung aus der Entgeltgruppe 9b TVöD herausgehoben. Eine Heraushebung aus der Entgeltgruppe 9c TVöD zu mehr als 50 % sei aufgrund der Merkmale besondere Schwierigkeit und Bedeutung gegeben.

Die eigens zur Klärung des Falles erstellte Stellenbeschreibung sei hierbei nicht maßgeblich, weil die hierin angegebenen Zeitanteile nicht realistisch seien, sondern die Arbeitsplatzbeschreibung aus Oktober 2016. Tatsächlich seien die von ihrem Arbeitgeber gebildeten drei Arbeitsvorgänge in Wirklichkeit unter einem einzigen Arbeitsvorgang mit dem Titel „Leitungsaufgaben“ zusammenzufassen. Eine Abgrenzung – also eine Tätigkeit mit einem eigenständigen Ergebnis – sei bei keiner dieser drei Tätigkeiten zu erkennen. So finde sich in der Sachbearbeitung (AV 3) genauso die Unterstützung und Zusammenarbeit mit den nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an, wie sie auch Grundlage der Leitungstätigkeit (AV 1) seien. Ebenso würden die einzelnen Tätigkeiten mit den fachbezogenen Leistungsanteilen vermischt. Die von dem Beklagten angegebenen Tätigkeiten stellten somit zumindest zu 95 % einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar – ein weiterer AV umfasst die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mit 5 %.

Der Arbeitgeber vertrat die Ansicht, dass sich die unter den AV 1 und 2 genannten Tätigkeiten durch Verantwortlichkeiten und Inhalte auszeichneten, die leitende, planende und steuernde Tätigkeiten darstellten, aber nicht schwierig im Sinne des Heraushebungsmerkmals der „besonderen Schwierigkeit und Bedeutung“ seien. Die unmittelbare Weisungsbefugnis der Klägerin gegenüber 17 Beschäftigten stelle zwar grundsätzlich eine wichtige Funktion dar, jedoch sei zu beachten, dass die klägerische Tätigkeit die Leitung von Beschäftigten umfasse, die in die Entgeltgruppe 6 TVöD-VKA eingruppiert seien. Auch das Merkmal der „Bedeutung“ sei für die unter AV 1 und 2 genannten Tätigkeiten zu verneinen. Somit sei eine Eingruppierung in die EG 10 TVöD-VKA zu erfolgen.

Was entschied das Arbeitsgericht?

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern gab der Klage jedoch statt. Die in der Beschreibung aufgeführten AV 1 und 2 bildeten einen einzigen Arbeitsvorgang – die Sachbearbeitung sei von den der Klägerin übertragenen fachbezogenen Leitungstätigkeiten nicht zu trennen.

Als Sachgebietsleiterin trage sie die erforderliche Verantwortung für die zu bearbeitenden Vorgänge. Das Merkmal „besondere Schwierigkeit“ sei erfüllt, weil die Klägerin konzeptionelle und fachbezogene Tätigkeiten zu erbringen habe, die sich in ganz besonderer Weise nochmals aus dem Verantwortungsbereich eines Beschäftigten in der EG 9c TVöD-VKA im Hinblick auf das fachliche Können und die notwendigen fachlichen Erfahrungen heraushebe. Die tarifliche Anforderung der besonderen Bedeutung ergebe sich daraus, dass der Klägerin 17 Mitarbeiter fachlich unterstellt und ihr die Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes übertragen seien. Die Klägerin nehme damit eine entscheidende Schnittstelle zwischen Verwaltung und Bürger ein, in der sie für eine Vielzahl von gebührenzahlenden Bürgern spürbar gestalte. Dies stelle jedenfalls im Hinblick auf die Tragweite der zu bearbeitenden Materie, aber auch im Hinblick auf die Auswirkungen der Tätigkeit für den Beklagten insgesamt eine deutlich wahrnehmbar gesteigerte Tätigkeitsanforderung gegenüber den Tätigkeiten der Vergütungsgruppen 9b sowie 9c TVöD-VKA dar.

Ausübung der Leitungsfunktion

Laut dem LAG seien die in der Arbeitsplatzbeschreibung geschilderten Tätigkeiten als ein einheitlicher Arbeitsvorgang zu betrachten. Arbeitsergebnis ist dabei die umfassende Leitung des Sachgebiets. Die Leitungstätigkeit besteht in der Koordinierung der durch das Sachgebiet zu leistenden Tätigkeiten, der Organisation des Sachgebietes, der Vertretung nach innen und nach außen, der Mitarbeit in entsprechenden Gremien, der Personalverantwortung im Sachgebiet in jeglicher Hinsicht, der Ausübung der Personal-, der Finanz-, der Organisations- sowie der Fachverantwortung.

Diese Leitungsaufgabe übt die Klägerin auch ununterbrochen während ihrer gesamten Arbeitszeit selbst dann aus, wenn sie sich gerade mit anderen Aufgaben als mit Leitungsaufgaben beschäftigt. Denn auch dann muss sie jederzeit und sofort in der Lage sein, aktiv durch Erteilung der erforderlichen Anordnungen und fachlichen Weisungen Leitungsaufgaben in ihrem Sachgebiet wahrzunehmen.
Bereits am 29.04.1992 hatte das Bundesarbeitsgericht ein entsprechendes Urteil dazu gefällt (Az.: 4 AZR 458/91).

Was sagt das Bundesverfassungsgericht?

Im lange schwelenden Streit zum Thema „Arbeitsvorgang“ im Rahmen des Eingruppierungsrechts des öffentlichen Dienstes der Länder hat das Bundesverfassungsgericht am 21. Dezember 2022 für mehr Klarheit gesorgt, indem es die diesbezügliche Verfassungsbeschwerde, die die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und das Land Berlin im Februar 2021 eingelegt hatten, nicht zur Entscheidung annahm (Az.: 1 BvR 382/21). Demnach müssen Urteile zum ganzheitlichen Arbeitsvorgang umgesetzt werden.

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