Digitalisierung
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Digitalverbände bemängeln geringe Fortschritte bei der Digitalisierung der Verwaltung

Der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition sah eine umfassende Digitalisierung der Verwaltung, des Gesundheitswesens und der Schulen vor. Nach der Halbzeit der Amtsperiode ziehen die Digitalverbände Bitkom und eco eine kritische Zwischenbilanz. Die Bundesregierung bleibt bei vielen digitalen Vorhaben hinter den Erwartungen zurück. Doch auch positive Entwicklungen lassen sich erkennen.

Im Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 und einer im letzten Jahr konzipierten gesonderten Digitalisierungsstrategie wurden nicht nur eine flächendeckende Breitbandversorgung via 5G-Mobilfunknetz und Glasfaserleitungen in Aussicht gestellt. Auch verbesserte Technik in den Schulen, die elektronische Patientenakte, komplett digitalisierte Verwaltungsvorgänge und vieles mehr gehörten zu den Versprechungen.

Zwischenbilanz der Digitalverbände Bitkom und eco

Inzwischen ist fast die Hälfte der Legislaturperiode verstrichen. Für die Verbände Bitkom und eco Grund genug, eine Zwischenbilanz zu ziehen. In etlichen Bereichen besteht deutlicher Optimierungsbedarf, auch wenn es vereinzelt positive Ausnahmen gibt. Der Bitkom-Studie zufolge hat die Ampel-Koalition bisher nur 11 % der insgesamt 334 versprochenen Digitalvorhaben umgesetzt. Jedes vierte Projekt wurde dem „Monitor Digitalpolitik“ zufolge noch nicht einmal angepackt. Zwei Drittel befänden sich in der Umsetzung.

Defizite vor allem bei der Digitalisierung der Verwaltung und des Bildungswesens

Laut Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst bestünden die größten Defizite bei der Digitalisierung des Bildungswesens der Verwaltung. So habe die Bundesregierung bislang nicht ihr Versprechen eingelöst, einen „Digitalpakt 2.0“ auf den Weg zu bringen, um die Finanzierung von digitaler Technik für Schulen weiterhin gewährleisten zu können. Im Haushaltsentwurf 2024 sei bislang keine Anschlussfinanzierung für den „Digitalpakt 1.0“ vorgesehen. „Inzwischen hinken unsere Schulen Ländern wie Dänemark 20 Jahre hinterher“, beklagte Wintergerst.

Auch in den Bereichen Wirtschaft und Gesellschaft gehöre man sowohl weltweit als auch in Europa nur zum Mittelfeld. Man die „kein Schlusslicht, aber auch weit entfernt davon, gut zu sein.“ Bei der Digitalisierung der Verwaltung sei Deutschland – überspitzt gesagt – ein „Failed State“, also ein gescheiterter Staat. „Bei der Verwaltungsgliederung geht es ja nicht nur darum, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Geburtsurkunden digital beantragen können, es geht vor allem auch darum, Genehmigungs- und Berichtsverfahren für die Wirtschaft zu digitalisieren und zu vereinfachen“, sagte Wintergerst der Deutschen Presse-Agentur. „Die Bürokratie ist aktuell der größte Bremsklotz für das digitale Deutschland.“

Fortschritte bei der Telekommunikationsinfrastruktur und im Gesundheitswesen

Bei aller Kritik gibt es aber auch einen Bereich, wo Deutschland in den vergangenen Jahren rasant aufgeholt habe: Bei der Konnektivität und dem Aufbau der Telekommunikationsinfrastruktur. Große Fortschritte verzeichnete der Bitkom auch im Gesundheitswesen. Der Verband lobte die flächendeckende Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA), bei der nach den Plänen der Bundesregierung das sogenannte Opt-out-Verfahren vorgesehen ist. Das heißt: Die epA wird für die Versicherten automatisch freigeschaltet, sofern sie nicht widersprechen.

Positiv sieht der Bitkom auch die durch die Ampel-Koalition angestoßene PLanungs- und Genehmigungsbeschleunigung für digitale Infrastruktur. Bereits im vergangenen Jahr habe der Ausbau der Mobilfunk- und Breibandnetze große Fortschritte gemacht. „Deutschland steht im europäischen Vergleich inzwischen auf Rang 4, was die Versorgung mit Telekommunikationsleistungen angeht.“ Im Jahr 2021 habe Deutschland beim Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) noch auf Platz 11 gestanden.

Einschätzung des Verbandes der Internetwirtschaft

Auch der Verband der Internetwirtschaft (eco) zog eine kritische Bilanz zum ersten Jahrestag der Verkündung der Digital-Strategie. Geschäftsführer Alexander Rabe bemängelte ebenfalls die schlechten Ergebnisse im Bereich digitale Verwaltung. Effizient und schnell arbeitende Behörden seien die Grundvoraussetzung für den modernen Staat und entscheidend im Umgang mit Krisen, wie die Corona-Pandemie deutlich gemacht habe.

Als eine der Ursachen für den schleppenden Fortschritt mache Rabe eine „mangelhafte Koordination in der Bundesregierung“ aus, wenn es um Themen der digitalen Transformation gehe. „Wir haben eine Vielzahl von Projekten in allen Ministerien, für deren Umsetzung bis zum Ende der Legislaturperiode am Ende alle und keiner verantwortlich sind. So kommt man eben langfristig nicht weiter.“