Organisation und Personal
Voraussichtliche Lesezeit: 4 Minuten

Keine Kürzung des Leistungsentgelts wegen Arbeitsunfähigkeit

Wenn in einer Dienstvereinbarung abschließend geregelt ist, in welchen Fällen das Leistungsentgelt gekürzt wird, scheidet ein Rückgriff auf den Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ aus. So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Der Kläger war als TVöD-Beschäftigter bei den Stadtwerken der Beklagten tätig.

Es besteht für die Mitarbeiter der Stadtwerke eine „Dienstvereinbarung zur Durchführung der leistungsorientierten Bezahlung […] nach § 18 TVöD“ (DV Leistungsprämie), die eine Verteilung des Leistungsentgelts in Prämienform auf Grundlage der Feststellung eines individuellen Zielerreichungsgrads vorsieht.

In § 12 Abs. 1 der Dienstvereinbarung ist geregelt, dass Beschäftigte, die wegen längerer Krankheit (über 6 Wochen gem. § 22 TVöD) an der allgemeinen Leistungsbewertung nicht teilnehmen, aber die zuletzt erzielte Punktzahl behalten, wenn der Bewertungszeitraum weniger als 6 Monate beträgt. Die DV enthält keine weiteren Regelungen über weitere Folgen, die sich bei Krankheit für das Leistungsentgelt ergeben.

Der Kläger war in der Zielerreichungsperiode 2017/18 in der Zeit vom 22.06. bis 13.07.2017 sowie vom 30.01. biss 06.04.2018 arbeitsunfähig erkrankt. Für diesen Zeitraum bestand kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Die Beklagte berücksichtigte bei der Abrechnung des Leistungsentgelts die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlungsanspruch nicht.

Der Beschäftigte vertrat die Auffassung, dass ihm aufgrund der Zielverwirklichung ein ungekürztes Leistungsentgelt zustehe. Dagegen brachte die Beklagte vor, das leistungsorientierte Entgelt hänge von der tatsächlichen Arbeitsleistung des Klägers und seinem Beitrag zur Zielverwirklichung ab. Der teilweise Wegfall des Anspruchs beruhe auf dem Gegenseitigkeitsverhältnis von Vergütungs- und Leistungspflicht. Somit führe die Fehlzeit ohne Entgeltfortzahlungsanspruch zu einer Kürzung der berücksichtigungsfähigen Tage.

BAG: Keine Kürzung des Leistungsentgelts wegen Arbeitsunfähigkeit

Das BAG entschied, dass das Ergebnis der Zielerreichung des Teams nach §§ 11 Abs. 5, 18 Abs. 6 DV Leistungsprämie auf den Kläger zu übertragen sei und eine Kürzung der Punktzahl aufgrund der krankheitsbedingten, außerhalb des Entgeltfortzahlungszeitraums liegenden Fehlzeiten des Klägers nach der für die Ausgestaltung des Leistungsentgelts im Beschäftigungsbereich des Klägers allein maßgeblichen Dienstvereinbarung nicht in Betracht komme.

Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen für das Leistungsentgelt durch Dienstvereinbarung

Weiter führte das BAG auch, dass weder § 18 TVöD noch § 22 i. V. m. § 21 TVöD eine ausdrückliche Regelung dazu treffen, wie sich Arbeitsunfähigkeitszeiten, die über den Entgeltfortzahlungszeitraum nach § 22 Abs. 1 TVöD hinausgehen, auf das Leistungsentgelt auswirken. Diese Frage werde durch die Tarifnorm der betrieblichen Ausgestaltung nach § 18 Abs. 6 TVöD überlassen, wonach die Parteien einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Anspruchsvoraussetzungen innerhalb des tariflichen Rahmens und damit auch etwaige Ausschluss- oder Kürzungskriterien selbst festlegen können. Der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ komme nur in Betracht, wenn es an einer solchen Ausgestaltung fehle.

Abschließende Regelungen in der Dienstvereinbarung zum Leistungsentgelt

Im vorliegenden Fall enthielt die maßgebliche Dienstvereinbarung keine ausdrückliche Kürzungsregelung für den Fall eines krankheitsbedingten Arbeitsausfalls über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinaus. Aus den Bestimmungen lasse sich nicht entnehmen, dass die Dienstvereinbarungsparteien eine zeitanteilige Kürzung der Leistungsprämie – sei es in Form der von der Beklagten vorgenommenen Kürzung des Punktwerts bzw. der Punktzahl oder zeitanteilig bei Zugrundelegung des Gruppenergebnisses – konkludent vorgesehen hätten. Vielmehr haben sie abschließend bestimmt, welche Auswirkungen Leistungsstörungen auf en Anspruch auf eine Leistungsprämie haben.

In § 12 DV Leistungsprämie seien zwar Bestimmungen für besondere Beschäftigtengruppen (kranke/leistungsgeminderte Beschäftigte, Mitglieder des Personalrats, Beschäftigte in Altersteilzeit etc.) getroffen. Diese gelten allerdings nur für ebendiese Personengruppen, die nicht an der allgemeinen Leistungsbewertung teilnehmen. Diesbezüglich war zudem in der Vorschrift geregelt, dass diese Beschäftigten die zuletzt bewertete Punktzahl behalten, wenn der Bewertungszeitraum weniger als 6 Monate beträgt, was auf den Kläger, für welchen eine Leistungsbewertung möglich und auch erfolgt war, nicht zutraf. Außerdem sieht die Regelung in diesem Fall keine Kürzung der Punktzahl vor, sondern es werde auf die in der vorangegangenen Zielvereinbarungsperiode bewertete Punktzahl abgestellt.

Es sind zudem detaillierte Regelungen darüber getroffen worden, unter welchen weiteren Gründen der Anspruch zu kürzen sei. Von den Kürzungsregelungen werde jedoch der Fall der lang andauernden Erkrankung nicht erfasst, obwohl den Unterzeichnern der Dienstvereinbarung diese Problematik – wie sich aus § 12 DV Leistungsprämie ergibt – bekannt vor. Es erscheint deshalb nach Ansicht des BAG fernliegend, dass die Dienstvereinbarungsparteien eine solche, in der betrieblichen Praxis nicht seltene Fallkonstellation nicht aufnahmen, wenn sie zur Anspruchskürzung im Rahmen von § 18 DV Leistungsprämie führen sollte. Aus dem Schweigen der Dienstvereinbarungsparteien könne daher nicht auf eine Kürzungsmöglichkeit geschlossen werden.

Die Auslegung der Dienstvereinbarung ergab somit, dass der Beklagten kein Recht auf anteilige Kürzung des leistungsbezogenen Entgelts zustand (BAG, Urteil v. 12.10.2022, 10 AZR 496/21).