Organisation und Personal
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Verdächtige Krankschreibung nach Kündigung

Oft ist es für Arbeitgeber schwer, zu beweisen, dass eine Krankschreibung nur vorgetäuscht ist. Wenn er jedoch einen entsprechenden Verdacht hat, darf er die Lohnfortzahlung nicht allein aus dem Grund verweigern, dass die Krankschreibung eines gekündigten Arbeitnehmers genau bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses dauert. So urteilte das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen am 08. März 2023 (Az.: 8 Sa 859/22; Vorinstanz: Arbeitsgericht Hildesheim, Urteil vom 26. Oktober 2022, Az.: 2 Ca 190/22).

Der Fall: Arbeitgeber zweifelt Arbeitsunfähigkeit an

Im vorliegenden Verfahren stritten Organisation und Beschäftigter um die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der Arbeitgeber, ein Zeitarbeitsunternehmen, hatte Zweifel, dass ein Mitarbeiter tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war. Dieser war seit März 2021 ala Helfer beschäftigt, seit Mitte April 2021 wurde er jedoch nicht mehr eingesetzt. Am 02. Mai 2021 meldete er sich mit ärztlichem Attest krank – zunächst für vier Tage. Der Arbeitgeber kündigte ihm noch am selben Tag ordentlich zum Ende des Monats, wobei dem Beschäftigten die Kündigung erst einen Tag später – am 03. Mai – zuging. In der Folge reichte dieser zwei weitere Krankschreibungen ein, sodass er bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig geschrieben war.

Klage auf Entgeltfortzahlung

Nun verweigerte der Arbeitgeber jedoch die Entgeltfortzahlung. Zur Begründung gab er an, dass die Krankmeldung des Mitarbeiters zeitgleich mit seiner Kündigung erfolgt sei und genau bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses angedauert habe. Denn er sei unstrittig Anfang Juni wieder gesund gewesen und habe einen neuen Job angenommen.

Demgegenüber verlangte der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber die Lohnfortzahlung – er sei nicht zum Zeitpunkt der Kündigung, sondern bereits einen Tag vorher erkrankt gewesen.

LAG Niedersachsen: Keine Motivation für Krankmeldung aufgrund der Kündigung

Das LAG Niedersachsen urteilte, dass der Arbeitgeber den ausstehenden Lohn zahlen muss. Er wies darauf hin, dass nach den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) der Beweiswert der Krankschreibung erschüttert sein kann, wenn ein Arbeitnehmer unmittelbar nach der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben wird und die voraussichtliche Dauer der Krankschreibung passgenau die Zeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses abdeckt. Vorliegend sei die zeitliche Abfolge jedoch eine andere gewesen: Zuerst habe sich der Arbeitnehmer krankgemeldet, erst dann habe der Arbeitgeber die Kündigung ausgesprochen. Die Krankmeldung sei folglich nicht durch die Kündigung motiviert gewesen.

Beweiswert der AU-Bescheinigung nicht erschüttert

Davon abgesehen waren auch die weiteren Umstände nicht ganz vergleichbar mit dem vom BAG entschiedenen Fall. So habe es sich in diesem nicht um eine arbeitgeberseitige Kündigung gehandelt, sondern um eine Eigenkündigung einer Arbeitnehmerin. Allein die Tatsache, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegend ebenfalls passgenau die restliche Dauer des Arbeitsverhältnisses – also die gesamte Kündigungsfrist – abdecke, war nach Auffassung des LAG Niedersachsen nicht ausreichend, um den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit zu erschüttern.

Die Revision an das BAG wurde seitens des LAG übrigens zugelassen. Es sei nicht hinreichend geklärt, unterwelchen Umständen der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert wird.