Organisation und Personal Querschnittsthemen
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EuGH-Urteil: Öffentliche Verwaltung darf allen Beschäftigten das Tragen von religiösen Zeichen verbieten

Somit können öffentliche Arbeitgeber zum Zwecke der Schaffung eines vollständig neutralen Verwaltungsumfeldes ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Tragen von weltanschaulichen oder religiösen Zeichen verbieten. Diese Regel gilt nicht als diskriminierend, wenn sie allgemein und unterschiedslos angewandt wird und sich auf das absolut Notwendige beschränkt.

Die Geschichte beginnt in Belgien

Eine Beschäftigte in der Gemeinde Ans (nördlich von Lüttich) war als Büroleiterin überwiegend ohne Publikumskontakt tätig. Ihr wurde dennoch von der Gemeinde untersagt, am Arbeitsplatz das islamische Kopftuch zu tragen. Im Anschluss daran änderte der Arbeitgeber seine Arbeitsordnung dahingehend, dass er den Beschäftigten eine strikte Neutralität vorschrieb. Jede Form von Proselytismus wurde von der Gemeinde untersagt. Sie verbot allen Arbeitnehmern das Tragen auffälliger Zeichen ideologischer oder religiöser Zugehörigkeit. Dieses Verbot erstreckte sich auch auf Beschäftigte, die keinen Publikumskontakt haben. Die Betroffene fühlte sich in ihrer Religionsfreiheit verletzt und diskriminiert, weswegen sie vor Gericht zog.

Das Arbeitsgericht Lüttich hat die Frage, ob die von der Gemeinde aufgestellte Regel der strikten Neutralität eine gegen das Unionsrecht verstoßende Diskriminierung begründet, an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) weitergegeben.

Strikte Neutralität des öffentlichen Dienstes kann rechtmäßiges Ziel sein

Letztlich entschied der EuGH (Urt. v. 28.11.2023, C-148/22), dass eine öffentliche Verwaltung das sichtbare Tragen von Zeichen, die weltanschauliche oder religiöse Überzeugungen erkennen lassen, verbieten kann, um ein vollständig neutrales Verwaltungsumfeld zu schaffen. Eine solche Regel sei nicht diskriminierend, wenn sie allgemein und unterschiedslos auf das gesamte dieser Verwaltung angewandt werde und sich auf das absolut Notwendige beschränke.

So könne die „Politik der strikten Neutralität, die eine öffentliche Verwaltung ihren Arbeitnehmern gegenüber durchsetzen“ wolle, um ein vollständig neutrales Verwaltungsumfeld zu schaffen, als durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt angesehen werden.

Ebenso gerechtfertigt sei die Entscheidung einer anderen öffentlichen Verwaltung für eine Politik, die allgemein und undifferenziert das Tragen von sichtbaren Zeichen u.a. weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen – auch bei Publikumskontakt – gestattet, oder ein eventuelles Verbot des Tragens solcher Zeichen auf Situationen beschränkt, in denen es zu Publikumskontakt kommen kann.

Ausgestaltung der Neutralität muss kohärent und systematisch sein

Die EU-Mitgliedstaaten und die unterhalb der staatlichen Ebene angesiedelten Verwaltungseinheiten verfügen mithin über einen Wertungsspielraum bei der Ausgestaltung der Neutralität des öffentlichen Dienstes, die sie in dem für sie spezifischen Kontext am Arbeitsplatz fördern wollen. Allerdings muss dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden und die zu seiner Erreichung getroffenen Maßnahmen müssen sich auf das absolut Notwendige beschränken.

Das Prüfen der Erfüllung dieser Anforderungen ist nun Sache der nationalen Gerichte.